Wenn man Alfred Hitchcock
und sein Lebenswerk beschreiben will, dann kann man -nach oberflächlicher
Betrachtung- sagen, daß er ein Mann war, der das Publikum unterhalten
wollte und einfach nur für Hollywood publikumstaugliche Kassenschlager
gemacht hat, die nun mal zum Großteil dem Publikumsgeschmack
entsprachen.
Damit tut man ihm aber
unrecht. Wenn man sich das Buch von Francois Truffaut Mr.
Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? durchliest, dann merkt
man schnell, daß sich Hitchcock bei jeder Einstellung, bei jeder
Bewegung der Schauspieler und bei jedem Ton etwas Bestimmtes
gedacht hat. Versuchen wir deshalb nun, sein Lebenswerk in verschiedene
Phasen zu unterteilen:
-Alle Filme vor 1935: Dies
sind Filme, die Hitchcock "bevor er sein eigener Begriff
wurde"1 drehte, d.h. bevor Hitchcock seinen
eigenen Still und seine eigenen Methoden entwickelt und angewandt
hat. Dies resultiert natürlich aus den schweren Anfängerjahren
als Regisseur, in denen Hitchcock sich nicht immer aussuchen
konnte, was er filmte.
-Die restlichen Filme in
England bis 1939: Dies sind Geschichten von Paaren, die aus
Zufall oder durch eine bestimmte Gegebenheiten zusammenkommen
und/oder deren Liebe auf die Probe gestellt wird. In dem Buch
Ein Triumph des Blicks über das Auge wird diese Hitchcock-Phase
auch als "Realismus"2 bezeichnet, da Hitchcock
hier auf die Manipulation des Publikums verzichtete und einfach
nur eine dynamische, realistische Geschichte erzählt.
|
|
-Filme aus der Selznick-Periode,
d.h Filme von Rebecca bis Under Capricorn: Filme,
die eine weibliche Heldin haben und zumeist auch aus deren Perspektive
gezeigt werden. Diese Heldin steht zwischen zwei Männern: einer
Vaterfigur und einem jüngeren "guten Jungen". Als
Beispiel kann man hier Notorious nehmen, in dem Alicia
zwischen Sebastian, der sie wirklich liebt, und Devlin, den
sie liebt, der aber seine Liebe zu ihr nicht bekennt, steht.
Aber auch in Sabotage, Shadow Of A Doubt und Foreign
Correspondent ist dieses Hauptthema nicht zu übersehen.
Auf die Spitze getrieben und gespiegelt wiedergegeben wird dieses
Thema aber bei Rope: Der eine Teil eines homosexuellen
Paares, Philip, steht zwischen dem dominanten Teil, Brandon,
und dem alten Lehrer, Cadell.
-Die Filme der 50er Jahre
und Anfang der 60er: Anstelle der Heldin tritt ein Mann in den
Vordergrund. Dieser ist jedoch nicht in der Lage, eine normale
sexuelle Beziehung einzugehen. Meist wird er von einer lebenden
oder toten Mutter daran gehindert. Diese Männer sind: Bruno
in Strangers On A Train, Mr. Jefferies in Rear Window,
Thornhill in North By Northwest, Norman in Psycho,
Mitch in The Birds, Mark in Marnie und Anfang
der 70er Bob Rusk, der Krawattenmörder, in Frenzy. Dabei
wird diese Unfähigkeit auf ganz verschiedene Arten kompensiert:
Norman nimmt nach dem Tod seiner Mutter zuweilen deren Identität
an und tötet Frauen, für die sich Norman selbst interessiert,
Jefferies und Thornhill versuchen, sich vor der Ehe zu drücken,
und Mark gibt sich den fetischistischen Trieben zu einer Kleptomanin
hin.
-Die letzen Filme
von Hitchcock: Die späteren Filme von Alfred Hitchcock folgen
keinem bestimmten Muster.
|